Wer in Overath das Aggertal verlässt und die Straße L312 in Richtung Much befährt, erreicht nach 6 Kilometern das Restaurant „Fischermühle“ im oberen Naafbachtal. Wenn hier den Besucher auch heute kaum mehr etwas an eine Mühle erinnert, so liefert der Name des Hauses doch einen klaren Hinweis auf die Geschichte des Anwesens.

Im Jahre 1783 baute Peter Fischer aus Krampenhöhe bei Marialinden die Mühle an der Naaf bei Bomerich, die nach ihm „Fischermühle“ genannt worden ist. Im Jahre 1834 erbte sie sein Sohn Christian Fischer. Gegen den Bau dieser Mühle hatte damals Graf von Schaesberg, Besitzer des Rittergutes Großbernsau bei Overath Einspruch erhoben, konnte sich aber nicht durchsetzen. Im Jahre 1797 waren im Kirchspiel Overath nur fünf Mühlen, eine war die Fischermühle, alle anderen Mühlen wurden später gebaut. Um 1850 wurden vom Naafbach, der auch heute noch ein Grenzgewässer ist -er scheidet Rhein-Sieg-Kreis und Rheinisch-Bergischen-Kreis- 10 weitere Mühlen angetrieben. Die Naaf war ein fleißiger Bach, sie mündet bei Kreuznaaf in die Agger.

Die „Fischermühle“ besaß einen Mahlgang und wurde von einem oberschlächtigen Wasserrad angetrieben. Die Kraft ging vom Wasserrad aus auf Wellbaum, Kammrad-Ritzel (Kegelräder), über den Kammrad-Stirntrieb auf den Mühlenstein. Gemahlen wurde von Gerste, Hafer und Roggen. Die Bauern brachten oft die Säcke mit Frucht auf dem Rücken zur Mühle. Einen Sack Roggen, dessen Mehl der Herstellung von Schwarzbrot diente, nannte man „Gebäckde“. Den Sack mit Gerste oder Hafer, Futter für Kühe oder Schweine, bezeichnete man als „Saupongel“. Der Mahllohn, die sogenannte „Molter“ waren 6% des Mahlgutes und kam in die „Moltkerkiste“. Bis 1920 war der „Fischermühle“ auch eine Knochenmühle, 300m unterhalb, angeschlossen (Dünger für Feld und Wiesen). Das Wasser aus dem Untergraben konnte in den Knochenmühlengraben abgeleitet werden und trieb die Knochenmühle an. Früher hatten die „Lehnsherren“, hier Graf Schaesberg großen Landbesitz und eigene Mühlen, die oft „Zwangsmühlen“ waren. Die Bauern-Lehnsleute in der Umgebung hatten die Pflicht, ihr Getreide dort mahlen zu lassen. Die „Fischermühle“ (160m ü. NN) lag weit abseits vom Verkehr. Durch das Naafbachtal führte nur ein schmaler Weg, der mit Pferde- oder Ochsengespannen zur Holz- und Heuabfuhr diente.

Im Jahr 1894 gelangte die „Fischermühle“ in den Besitz der Familie Hollinder. Der Fuhrunternehmer Peter Hollinder, geboren 1860 in Vilkerath, kaufte damals den Betrieb samt Landwirtschaft, Mühle, Kolonialwarengeschäft und Fuhrbetrieb. Das Fuhrgeschäft für Blei- und Zinkerztransporte der Erzgruben Nikolaus und Phönix zur Eisenbahn nach Overath war der Haupterwerb. Früher war ein breiter, gut befestigter Fahrweg von Much über Bövingen, den Höhenrücken Ühling (die Sage: Kuhhirt o Kuhhirt treib heim, der Ühling der Ühling bricht ein), „Fischermühle“, Lorkenhöhe, Landwehr, Marialinden nach Overath die Hauptverbindung an den Verkehr. Das Erz wurde über den vorgenannten Weg zwei-, vier- oder sechsspännig mit starken Pferdewagen über die Höhe bei Landwehr und weiter zur Bahnstation nach Overath gefahren. Auf dem Rückweg wurden Maschinenteile, Gebrauchsgüter und immer wieder Kohle für die Grube „Nikolaus-Phönix“ transportiert. Die Grube beschäftigte während ihrer Blütezeit mehr als 180 Bergleute. Diese arbeiteten bis in einer Tiefe von 270 Metern.
Im Jahre 1911 wurde die Erzförderung wegen zu geringer Ausbeute eingestellt, der Bergbau bei der „Fischermühle“ ist seither nur noch Geschichte.
In der näheren Umgebung, (Overath, Much, Neunkirchen) wird von vielen kleineren Erzgruben berichtet. Über den Beginn der Erzbautätigkeit gibt es keine genauen Angaben, es wurden schon Werkzeuge aus der Römerzeit gefunden. Früher war jeder abgelegene Bauerhof, so auch die „Fischermühle“, ein Selbstversorgungskreis, in dem alles erzeugt wurde, was Bauer und Betrieb benötigten. Die Handwerker, Stellmacher, Schreiner, Schmied, Sattler, Schuster, Näherin kamen ins Haus und führten die erforderlichen Reparaturarbeiten aus.

Die „Fischermühle“ ist eingebettet in eine liebliche Gegend. Einen besonderen schönen Rundblick über unsere Heimat hat man vom nahe gelegenen Ort Hevinghausen am Beerenwäldchen, eine Anhöhe von 269 Meter. Es ist „Unser Heimatblick“.
Der Strom, die Elektrizität, kam 1908 ins Naaftal. Die Straße Overath-Much wurde 1925-1927 gebaut und die „Fischermühle“ hatte den Zugang zur weiten Welt erlangt.

Das Restaurant „Fischermühle“  wurde 1928 von Peter Hollinder jun. (1886-1976) gebaut. Bis 2001 betrieben Rudi und Helene Hollinder die „Fischermühle“ als Hotel und Speiserestaurant. 1988 stieg Stefan Hollinder mit ein und übernahm 2001 die Geschäftsführung der „Fischermühle“.
Die Menschen von heute lieben das moderne Leben, doch die Natur rund um die „Fischermühle“ ist geblieben, hat sich nicht verändert. Die Technik hat auch hier in unserem einst so stillen Tal Einzug gehalten und wenn man bei offenem Fenster übernachtet, hört man morgens einzelne Autos die vorbeifahren, aber dann kehrt die Stille wieder ein und man hört den Naafbach, und der rauscht und singt sein Lied wie vor 100 Jahren.

Geschrieben von Peter Hollinder (1923-2011) im Jahre 2000.

Familie Hollinder um 1900
Peter Hollinder sen. rechts sitzend
Peter Hollinder jun. mittig stehend auf dem Bänkchen